BA Politikwissenschaft…

Es ist vollbracht. Mit Juni 2018 habe ich meinen Bachelor in Politikwissenschaft abgeschlossen. Meine Erfahrungen, was ich gelernt habe und ob man Politikwissenschaft studieren soll oder nicht, versuche ich in diesem Beitrag offenzulegen.

Warum habe ich angefangen Politikwissenschaft zu studieren?

Ich war im Herbst 2012 fast ein Jahr lang in Wien. Meine Intention nach Wien zu kommen war nicht um zu studieren. Ich wollte in dieser Stadt leben und zunächst im journalistischen Berufsfeld Fuß fassen. Blauäugig wie ich war dachte ich, dass die Medienhäuser der Hauptstadt nur auf so einen jungen motivierten Hobbyjournalisten wie mich warten. Nach erfolglosen Assessment-Centern beim ORF und teils unbeantworteten Bewerbungsschreiben an andere Medienunternehmen war ich frustriert und suchte nach Auswegen oder Hilfeleistungen. Die österreichische Vitamin-B-Lösung, auch wenn sie mir möglich war, lehnte ich kategorisch ab. Ich wollte und will nach wie vor, dass ich einen Job anhand meiner Erfahrungen, Leistungen und Kenntnisse und nicht wegen meiner Beziehungen erhalte. Lange Rede kurzer Sinn. Das Studium der Politikwissenschaft war anfangs ein Mittel zum Zweck. Ich hatte keinerlei journalistische Ausbildung und dachte ein Studium der Politik- Wissenschaft wäre ein Themenfeld, dass mit Sicherheit auch sehr gut mit dem journalistischen Handwerk vereinbar wäre.

Und wie ist es so Politikwissenschaften zu studieren?

Es ist phasenweise anspruchsvoll. Wer gerne wissenschaftliche Artikel liest, eine Freude an Diskussionen wissenschaftlicher aber auch gesellschaftlicher Prägung hat, sehr gerne wissenschaftlich schreibt, eine ausgeprägte Neugier für Gesellschaft, Machtverhältnisse und philosophische Fragen hat und nicht auf der Suche nach DER EINEN allumfassenden Antwort ist wird mit der Politikwissenschaft glücklich. Politik und die Politikwissenschaften sind keine, deterministischen Bereiche, würde ich sagen. Und das ist genau der Punkt. Politikwissenschaft ist eine Wissenschaft, die oftmals versucht Fragen zu beantworten und dabei sehr oft neue Fragen aufwirft. Sie ist eine sich wandelnde Wissenschaft, die zwar Wissen schafft, dieses Wissen aber immer nur ein Blickwinkel ist, welcher Diskussion und Kritik ausgesetzt ist. Menschen die lieber an feste Gesetzmäßigkeiten glauben und ihre Erkenntnisse danach richten wollen sind in einer Sozialwissenschaft, wie es die Politikwissenschaft ist, falsch.
Gerade dieser Prozess des immerwährenden Diskurses, der vielen theoretischen und empirischen Facetten hat mich von Anfang bis zum Ende des Studiums begleitet. Der Anfang ist, wie wahrscheinlich alle gearteten Studien- und Ausbildungswege mit Theorie und einer eher trockenen Annäherung angereichte. Man tastet sich heran und erhält bereits einen ersten guten Einblick was einerseits Politikwissenschaft ist und was die mannigfaltigen Teilbereiche der Politikwissenschaft zu bieten haben. Dann im Laufe des Studiums gibt es viele Lektürekurse in denen Texte gelesen, besprochen, diskutiert, Hausarbeiten dazu verfasst werden und oder Referate zu Texten gehalten werden. Außerdem gibt es Seminare. In diesen wird weiter an der Fähigkeit des wissenschaftlichen Arbeitens geschraubt. Man schreibt, diskutiert, recherchiert, präsentiert. Natürlich hängt auch viel von der bzw. von dem Vortragenden ab. Einige „verlangen“ mehr, was nicht unbedingt schlecht sein muss, andere wiederum Spulen ihr Programm herunter und Punkt.
Womit wir beim anderen anspruchslosen Teil angelangt sind. Natürlich ist Anspruch etwas durchwegs Subjektives. Was für den Einen eine mühevolle Aufgabe ist, ist für den Anderen eine Freude und Wohltat. Anspruchslos waren für mich die einen oder anderen Vorlesungsprüfungen. Gemeint sind damit eben jene Prüfungen bei welchen ein plumpes Lesen des Skriptums ausreichend war. Sprich, es wurde lediglich nach dem Inhalt des Vortrages oder Skriptums, Buches gefragt. Unreflektierte Wiedergabe von bestehendem Wissen. Ich finde so etwas anspruchslos und fad. Anderen mag das Freude bereiten. Ich möchte aber betonen, dass solche für mich anspruchslosen Prüfungen und Vorlesungen ganz klar in der Minderheit waren.

Und die Leute so? Alles Linke Ökofundis oder?

Der Politikwissenschaft schien bzw. scheint nach wie vor ein gewisser Ruf vorzueilen, was die Studierenden und ihr Publikum betrifft. Damit möchte ich gleich mal aufräumen. All jenen die dieses Gerücht manifestieren und weiterspinnen, obwohl sie vielleicht sogar PoWi studiert haben, sei ins Stammbuch geschrieben, das dies in keinster Form meiner Wahrnehmung entspricht. Ich habe Studienkolleginnen und Kollegen aller Gesellschafts- und Altersschichten gehabt. Neoliberale, treffen auf eingefleischte Sozialisten. Konservative diskutieren mit politisch Rechten und Marxisten arbeiten in Gruppenarbeiten mit Smith-ianern zusammen. Mag sein, dass gewisse Seminarthemen womöglich eher politisch Linke interessieren oder andere eher eine andere Gruppe, doch dies liegt wohl auch in der Natur ihrer Sache. Fakt ist, und das ist ein Punkt wo mich das Studium auch menschlich verändert und geprägt hat, dass man im Zuge des Studiums wie eine Dose geöffnet wird. Oder einem Pferd die Scheuklappen abgenommen werden. Es erweitert die persönliche Denkweise. Man sieht Gesellschaft und Gruppen anders. Man öffnet sich und springt auch über seinen ideologischen Schatten, anfangs weil man muss und dann, weil man vielleicht will und durch Theorien und Texte davon überzeugt wurde. Während ich am Anfang des Studiums die KollegInnen noch kategorisiert und schubladisiert habe, ging ich im Laufe des Studiums und bis heute immer mehr davon ab Menschen rein nach ihren gesellschaftlichen oder ideologischen Merkmalen zu kategorisieren. Wurde, wenn man es so nennen möchte, „toleranter“ oder offener bzw. verlor die Voreingenommenheit.

Was lerne ich da?

Es geht um mehr als nur Politik. Zu Anfang, wie schon erwähnt, geht es viel um Metatheorien. Dann kommen einzelne Rahmen dazu. Es geht um Staatstheorien, Machttheorien, Gesellschafts- und Ökonomietheorien. Rechtslehre und Rechtsgeschichte spielt genauso eine Rolle, wie die Geschichte selber. Erst dann kommen einzelne Politikfelder ins Spiel. Österreichische Politik. Die EU. Politiktheorien. Internationale Politik. Geschlechterpolitik. Osteuropastudien. Politik und Kultur. Innerhalb dieser einzelnen Bereiche des Studiums gibt es dann noch den Fokus, welchen die Lehrenden aus ihrer eigenen Lehre und Forschung mitbringen. Beispielsweise habe ich ein sehr interessantes Seminar zur Gedenkpolitik in den Post-Jugoslawischen Ländern bei Ljiljana Radonić besucht. Bei Gerd Valchars besuchte ich ein Seminar wo es um die Reformbestrebungen in der österreichischen Politik ging, usw.
Ich persönlich habe gelernt alles kritisch zu hinterfragen. Ich sehe die Gesellschaft und Politik nun mit sehr kritischen Augen. Veränderungen versuche ich anhand ihrer Ursachen zu verstehen und nicht anhand der oberflächlichen Wirkungserscheinung. Wie oben beschrieben öffnete es meine Sensorik für Menschengruppen und Themen, die für mich vorerst nicht bekannt oder nachvollziehbar waren. Und ja. Ich habe auch viel Allgemeinbildendes gelernt. Mein Wortschatz hat sich verbessert meine Selbstorganisationsfähigkeit wurde enorm gesteigert. Ich habe gelernt genauer hinzusehen und Texte vielleicht auch mal lieber zwei Mal zu lesen, bevor ich meine Schlüsse daraus ziehe. Ich habe gelernt mit Theorien umzugehen und mir meine eigene theoretische Brille zu konstruieren.

„PoWis keine Angst bei der Jobsuche: McDonalds sucht immer Leute…!“

Dieser Satz, der einst auf der Wand des Männerklos im PoWi Institut deklariert wurde, beschreibt die häufig geäußerte Skepsis vieler: „Bua, lern was gscheits und ned so an Schas!“ „Und was willst du dann mal machen?“ „Wo dein Bezirks-AMS ist weist eh schon oder?!“ Mit solchen Aussagen und Fragen wird man immer konfrontiert. Wer das PoWi Studium genau betreibt und sich auch mit den Potenzialen dieses Studiums auseinandersetzt und sie erkennt weiß, was er darauf antworten kann und wie er mit solchen Aussagen umgeht. Menschen die vor, während und noch schlimmer, nach dem Studium, keine Antwort auf diese Fragen und Aussagen gefunden haben, haben definitiv das Falsche studiert oder nicht alle Potenziale erkannt. Ich würde wagen zu behaupten, wenn man das Studium gewissenhaft und mit Leidenschaft, respektive Interesse betreibt, einem die Ideen und Berufsaussichten ganz klar sein werden. Im Idealfall spezialisiert man sich während des Studiums in eine Richtung, in der man später auch einen Beruf anstreben möchte. Sei es Internationale Politik, österreichische Politik, wissenschaftliches Arbeiten und viele weitere Bereiche und deren Subkategorien und Themenfelder. Du bist was du isst, oder im Falle des PoWi Studiums, du arbeitest worauf du dich spezialisiert hast. Wie bei allen Dingen im Leben: Wofür man sich interessiert, wo man seine Zukunft, seine Ziele oder Träume sieht, dorthin arbeitet man bewusst aber auch unterbewusst hin.

Hättest du die Wahl, würdest du wieder Politikwissenschaften studieren?

Auf jeden Fall. Womöglich würde ich da oder dort eine andere Lehrveranstaltung wählen. Außerdem gab bzw. gibt es mir die Basis für meinen angestrebten Master in Public Management auf der FH Wien und meine private aber auch berufliche Zukunft.

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