Erster Klasse…

Ruhe. Breite Sitze. Ein Hauch eines Gefühls wie in der besseren Klasse der Titanic. Befremdlich. Ein eigenes kleines kleinbürgerliches Ökosystem scheint in dem kleinen Raum zu keimen. Ich, eine alte Dame, ein mit sich selbst sprechender und singender Herr, eine Frau mittleren Alters. 1x Erste Klasse nach Klagenfurt, bitte!

Die Feiertage stehen vor der Tür. Es ist Freitag. Obwohl ich mir nichts aus diesen scheinheiligen Tagen rund um den 1. November mache, folge ich dem Ruf der Verwandtschaft. Es geht nicht um den Feiertag. Viel mehr um das präsent sein und den Eltern und der Oma eine Freude zu machen. Meiner Babi.

Um 9 Uhr geht es aus den Federn, unter die Dusche, hernach zum Hauptbahnhof. Entspannt vorbei an den sich in den Zug pressenden Massen. Diesmal steige ich am hintersten Ende des Zuges ein. Bahnsteig 7C, Wagon erster Klasse. Meine Mutter hat mich überredet und mir den Aufpreis für die erste Zugklasse bezahlt. Neugierig und dankend nahm ich an. Ich bin noch nie, in welchem Transportmittel auch immer, in einer besseren Beförderungsklasse gefahren. Meistens nur mit abwertenden Blicken durchgegangen auf der Suche nach einem Sitzplatz in Klasse 2.

Ich setze mich an einen 4er Platz. Vier Sitzplätze, ein Tisch. Optisch fast kein Unterschied zu Klasse 2. Auch dort gibt es Sitzplätze mit dieser Anordnung. Auffallend ist die geringe Anzahl an Sitzmöglichkeiten in dem Wagonabschnitt. Die Sitze an und für sich sind weiter auseinander. Armlehnen breiter, der Platz zwischen Sitz und Tisch ausreichend für einen Gerard Depardieu mit Rainer Calmund auf dem Schoß. Der Sitz lässt sich verstellen und in eine angedeutete Liegeposition bewegen. Wobei dies nur bei keinem Gegenüber möglich ist.

Eine alte Dame setzt sich an den 2er am rechten Fenster neben mir. Packt die Jause aus. Ein Schaffner betritt mit einem kräftigen ¨Griaß Gott¨ im tiefsten villacher Dialekt den Wagonabschnitt. ¨Herr Schaffner, könnens ma sagen in welche Richtung der Zug fährt?!¨, die alte Dame zum gestressten Zugbegleiter. ¨Richtung Villach!¨, erwidert der Schaffner mit einem Grinsen. ¨Jaja, aber welche Richtung?!?¨, erklärt die Dame während sie zuerst in die eine Richtung des Zuges und danach in die entgegengesetzte zeigt. Der Schaffner lächelt, zeigt in eine Richtung und erklärt wie einem Kleinkind: ¨Richtung Südn!¨. Leicht erbost aber zähneknirschend die Contenance bewahrend fragt die Frau nochmal. Lächelnd zeigt der Schaffner die Fahrtrichtung des Zuges an. Einen kurzen Moment später gleitet der Zug behäbig los.

Ein weiterer Herr setzt sich an einen Einzelplatz am anderen Teil des Raumes. Er beginnt zu pfeifen und spricht mit sich selber. Als der Zug kurz vor Wiener Neustadt zum Stillstand kommt raunt er: ¨Und do stehma scho wiiiiieda!!!¨. Die mittlerweile mit der Jause fertig gewordene Dame rollt mit den Augen.

Der Zugbegleiter aus dem Boardrestaurant geht mit einem Körbchen durch und bietet jedem ein KitKat an. Hungrig greif ich zu, weil ich Zuhause nicht gefrühstückt habe. Auch die Dame langt zu und bestellt bei selbigem noch eine Suppe. Hungrige alte Dame, denk ich mir.

Außerdem gibt es Zeitungen. Kurier und Kronen Zeitung. Jegliches Naheverhältnis zwischen ÖBB, SPÖ und Krone bzw. Kurier wäre wohl jeder Verschwörungstheorie zu viel. Für Gewöhnlich gibt es auch andere Zeitungen. Nur eben heute nicht.

In Wiener Neustadt steigt noch eine Dame zu. Nicht älter als 50. Auch sie lässt sich Suppe bringen. Ich spiele mit dem Gedanken mir auch Suppe bringen zu lassen, da es wie im Wirtshaus zugeht. Der Kellner/Restaurantzugbegleiter ist auf Hochbetrieb.

Der singende Herr bestellt Kaffee. Er bekommt wonach er verlangt. ¨Und wo is mei Wossa?¨ ¨I hob nur Kaffee verstanden… Still oder Prickelnd?¨ Genervt trabt der Kellner wieder ab. Holt das Wasser.

Die drei Leute im Zug, geben sich alle Mühe die Dekadenz nach außen zu kehren. Es wird gespeist und getrunken wie im Boardrestaurant. Als wolle man einem Klischee entsprechen. Man will scheinbar zeigen was man hat und kann. Oder nur so tun als ob. Ich weiß es nicht.

Ich fühle mich nicht wohl. Auch die 3 schauen mich immer wieder an. Blicke die sagen wollen: ¨Was machst du eigentlich hier?¨. Leoben. Noch gute 2 Stunden Fahrt vor mir.

Es ist ruhig. Kurz wird die stille unterbrochen. Das Handy des Mannes läutet. ¨Jo Hallo?!?¨ Es geht um die Schweiz. Er ist am Weg nach Kärnten, fährt morgen aber wieder nach Wien. Gesprächsfetzen zu belauschen bringt mich nicht weiter.

Wieder wird essen bestellt. Mein Hunger steigt. Das KitKat scheint sich schon in allen möglichen Säften verdaut zu haben. Ich bestelle ein Panini. Gleichwohl korrigiert mich der Kellner und sagt: ¨Ein Panino also?¨. Es scheint ich beherrsche noch nicht die fehlerfreie Verständigung.

46 Euro kostet das Ticket erster Klasse von Wien nach Klagenfurt. 20 Euro mehr als ein Ticket in der zweiten Klasse inkl. Vorteilscardrabatt. Für einen starken Reisetag, wie es der Freitag vor Allerheiligen ist, eine überlegenswerte Investition. Es stimmt. Es ist ein entspannteres Reisen. Man sucht keinen Platz. Die Reise ist ruhiger. Man hat ausreichend Platz. Die Gesellschaft kann man sich nicht aussuchen. Das dekadente Gehabe liegt mir fern. Noch ferner sind mir Menschen die sich die Dekadenz und Selbstdarstellung ans Revers heften und es zelebrieren.

Der Zug nimmt seine letzten Kurven. Ich komme wirklich tiefenentspannt an. Kein Gedränge, es ist nicht laut. Alles in einem entspannten Tempo. Während bei den Türen der zweiten Klasse die Leute zwischen rein und raus wechseln und die ersten schon ¨Zerst aussteigen lossn!¨ brüllen, sehe ich meine Babi am Bahnsteig warten.

Zusammengefasst kann ich sagen: Es ist entspannt in der ersten Klasse zu reisen. Der Railjet bietet jedoch keinen nennenswerten Extrakomfort. Will man eine ruhige Reise, ohne Hektik und weniger Menschen, nur einen kleinen extra Komfort im Vergleich zu Klasse zwei, dann ist man hier sicher gut aufgehoben.

Für mich sicher keine Option für jede Fahrt. Nicht nur aus Kostengründen, sondern auch der Gesellschaft wegen. Mag sein das ich an einem Tag gefahren bin, an dem der Klischeefahrgast der ersten Klasse übermäßig vertreten war. Der protzende Typus der sich am liebsten die halbe Küche zum Platz bestellt hätte.

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