Geil, geiler, Supergeil…

Super Muschi! Super Uschi! Super Sexy! Super Geil! Ein Video. Ein alter Mann.
Keine Angst es geht nicht um einen Porno mit älteren Darstellern. Diesen Anblick erspar ich euch. Wobei ich bei einigen sicher das Kopfkino im negativen Sinne angeworfen habe.

Es geht um den neusten viralen Werbespot im Internet. Die Edeka Werbung. Wer sie nicht kennt dem beschreibe ich kurz worum es geht.
Ein älterer Mann (Anm.: Friedrich Lichtenstein) erscheint in vielen Lebenslagen des Alltags. Einmal bei Mutti am Sonntagmorgen, einmal bei Uschi die leicht bekleidet am Sofa Sushi isst, einmal beim Kaffeekränzchen zweier betagter Damen und vielen weiteren Situationen. Dauernd läuft ein abgestumpfter Beat der sich optimal als Fahrstuhlmusik für eine mehrstöckige Haschischbar eignen würde. Dazu singt der Alte in erzählerischem Tonfall wie geil alles ist. Wie geil der Smoothie, das Toilettenpapier und nicht zu vergessen der supergeile Dorsch ist.
Dazu ein paar Tanzmoves seinerseits und ein paar Schritte von mit High-heels – Kurzröckchen –Adjustierung ausgestatteten Tänzerinnen. Wies eben gang und gebe ist in Musikvideos unserer Zeit. This is it.

Das supergeile Spektakel lockte bis heute mehr als 1 Million Menschen vor die Bildschirme. Im Grunde genommen ist es ein Beispiel dafür wie plump unsere Wahrnehmung geworden ist. Das Video bricht alle Tabus und No-Go’s, schön ein gebettet in Bildern aus dem Alltag. Ein alter bärtiger behaarter Mann nackt in der Badewanne voller Milch. Junge knapp gekleidete Mädels die sich am Greis winden und räkeln. Was wohl die gute alte Alice „The tax doger“ Schwarzer dazu sagen würde?
Offensichtlich reicht es heut zu Tage alles als geil zu bezeichnen. Wir leben in einer übergegeilten Welt. Geil als stufenloses Bewertungsuniversalwort. Alles ist geil. Das Joghurt, die Uschi, das Sushi. Es kümmert offensichtlich niemanden mehr ob etwas gut, exzellent oder weniger empfehlenswert ist. Nichts ist fruchtig, schön, bunt, alles ist supergeil!

Natürlich ist dies eine Werbung die alle Zielgruppen animieren soll bei Edeka einzukaufen. Alte Menschen steigen schnell ein. Lichtenstein, als Ex-Ossi der am 60er kratzt und alles geil findet. Wieso sollte das eine Sechzigjährige aus dem Saarland nicht anregen auch alles geil zu finden? „Der Lichtenstein finds ja auch geil!?!“
Die Mittvierziger womöglich zweigeteilt. Eine Hälfte wird unbedacht sofort drauf reagieren. Ist schließlich supergeil und mit geilen Ischen. Die andere vielleicht nicht. Womöglich findet es die zweite bedachte Hälft unterhaltsam oder hoffentlich zumindest obskur.
Die Younggeneration. Die Träger der kommenden Generationen oder auch YouTube-Generation geschimpft hat sich den Song wohl schon als Klingelton fürs Smartphone eingerichtet. Ich möchte an dieser Stelle nicht pauschal alle in diesen Topf werfen, dennoch gehe ich von 80% der jungen Grundgesamtheit aus. Die jungen Leute stehen auf dumpfe Beats, kurze sinnfreie Parolen und den Tabubruch. „Der Nikolaus hat Muschi gesagt!“
Für 1 Million Klicks sind in erster Linie die jungen Generationen verantwortlich. Viral werden solche Videos erst wenn sie die jungen Leute aufsaugen und über alle Kanäle rauspusten.

Solche Reklamen kann man mit zweierlei Maß messen. Einerseits über die ökonomische-, andererseits über die philosophisch-gesellschaftliche Sichtweise.  Beide haben, wie ich finde, ihre Berichtigung. Welche mehr, welche weniger, darüber kann man sich streiten.

Ökonomisch gesehen schlägt dieses Video ein wie eine Bombe. Es trifft den Zahn der Zeit. Die beauftragte Werbeagentur hat ihren Job mehr als richtig gemacht. Alle aktuellen Trends wurden im Video beachtet. Tolle Kameraführung, ein stylischer Entertainer-Opa der sich mit Kinderbuch Vorleserstimme die supergeile Seele aus dem Leib spricht. Ein einfacher Beat und der Hit ist perfekt.
Die Werbung wird thematisiert. Die Gesellschaft spricht drauf an. Beispiel dafür ist dieser Blogeintrag. Wäre die Reklame nicht so skurril wären diese Zeilen nicht entstanden.
Durch diese Dynamiken wird über Edeka gesprochen. Unterbewusst will der Mensch herausfinden, ob die durch das Video vermittelten (einfachen) Botschaften zutreffen. „Ist es wirklich so geil?“
Dadurch prognostiziere ich, dass Edeka in den nächsten Monaten gute Zahlen einfährt. Möglich, dass sich Kunden aufgrund der Kampagne abwenden werden. Diese werden nichtsdestotrotz die Minderheit bilden.

Was die Ökonomie beziehungsweise das Geschäftemachen im 21. Jahrhundert gar nicht interessiert sind Werte, Moral und gesellschaftliche Konventionen.  Auch wenn sich einige wenige Marken auf „Werte“ besinnen, orientiert sich der generelle geschäftliche Tenor (no-na-ned) nach Zahlen. Solange der Rubel rollt ist es egal wie oft man Muschi, Geil oder Pimmel hinausbrüllt.
Aus meiner Sicht sind solche Clips sicher nicht bildend oder die Gesellschaft bereichernd. Es bereichert die Kassen der Firma Edeka. Mehr nicht.
Im Wesentlichen holt sich die (junge) Gesellschaft die Bestätigung für ihre Lebensweise. Es bestätigt die fälschliche Annahme, Frauen müssen gewisse Körpermaße haben, High-Heels und kurze Röckchen tragen, sowie aufreizend tanzen. Es fördert die plumpen unausgeschmückten Kommunikationen. Sprache verliert an Wert und Ausdrucksfähigkeit.
Lebensmuster werden vorgezeigt und gewissermaßen als richtig und notwendig dargestellt. Dies lässt sich nicht nur bei der besprochenen Werbung sondern in vielen weiteren Videos und Clips in der Werbebranche beobachten. Es könnte Menschen zu gewissen Aktivitäten oder Taten verleiten. Ein Beispiel wäre die Milch-Badewannen Szene. Schon möglich, dass Milch für die Entwicklung der menschlichen Haut eine spezielle wohltuende Wirkung erzielt, trotzdem empfinde ich diese Güter verschwendende Maßnahme als verwerflich.

Werbung bildet einen Teil unserer Öffentlichkeit. Werbung beeinflusst uns. Die Frage ist wie wird sie gelebt und erlebt. Sollte man der Branche einen Bildungsauftragauferlegen? Darf Werbung plump sein und wie plump darf sie sein? Oder hat die Gesellschaft eine gewisse Grundplumpheit die es zu befriedigen gilt?

 

 

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